Mittwoch, 5. Oktober 2011

Seetag – Sturm Stärke 11, Feuer und Royal Ascot


Wie (fast) jeden Tag 07:30 aufstehen, 
08:30 Frühstück im Britannia und wir haben tatsächlich wieder einen Fensterplatz bekommen ! Und zwar vom Maître, der uns in der Launderette gesehen hatte. Ist jetzt richtig ein Insider-Witz geworden. „How are you today?“-„Great, and even without doing our laundry!“ Gröl… Nach einem ausgiebig langen (nicht mengen-, aber zeitmässig mehr) Frühstück sind wir hoch in den Wintergarten und haben uns einen Platz mit Steckdose für den Laptop gesucht. Hab ja noch 2 Tage nachzuschreiben.
Es ist ca. 11:00 und im Wintergarten läuft das Wasser, das von Regen und Wind auf der einen Seite durch die Türen reingedrückt wird, durch den Wintergarten auf den Steinfliesen durch und sammelt sich am anderen Ende (quer durch). 
Gut, ist der weisse Flügel am Boden angeschraubt und zwar mit Metallfüssen. Die hier eingestellten Bilder waren nur der Anfang dessen, was an Wassermassen durch die Türritzen folgen sollte... Die Boys sind die ganze Zeit am Rennen und Machen und Wischen, dann hat sich so viel Wasser gesammelt, dass sie mit zwei grossen Nass-Saugern kommen und an jeder Seite des Schiffs das Wasser aufnehmen. „Simply amazing“ aber weniger auf die lustige Art.
Mittagsbericht vom Kapitän über die Lautsprecher in allen öffentlichen Räumen:
Aktuell haben wir Wolken, starker Regenfall. Windstärke 10 in Böen bis Windstärke 11, Wellen 6-7 m. Gemäss Quebec-Lotsen, der uns gestern Abend durch den St. Laurence-River gebracht hat, mussten die Celebrity Summit & Silver Whisper gestern (sie sind vormittags abgefahren) kurz bevor sie aus dem St. Laurence River raus kamen, umdrehen um einen sicheren Hafen zu finden, denn die anstehenden Wetterbedingungen waren nicht sicher für diese Schiffe. Gemäss Kapitän Kevin Oprey der Beweis dafür, dass die Qeen Mary 2 genau für solche Bedingungen gebaut wurde. Jetzt hängt das Schiff nicht nur schief (Blick eine Seite Wasser/Wellen und richtig viel Wind mit Regen an die Scheiben, andere Seite graue Wolken –ohne Horizont!) sondern jetzt stampft es auch. Wenn wir aus dem Schutz der Ile d‘Anticosti raus fahren, kann das noch „lustiger“ werden, aber der Wind soll zumindest von einer anderen Seite kommen, sodass die Fahrt etwas ruhiger werden sollte. Allerdings die Wellen können beim 7m-Level bleiben. Ich hab gerade versucht, auf’s Klo zu kommen. Hin, na ja und zwar in Schräglage und zum Abbiegen bergauf und dann mit Anlauf in die Kabine, denn das Schiff hat sich grad wieder auf die andere Seite gelegt. Wow... Und dass die Toilettensysteme trotzdem noch funktionieren, das beeindruckt mich von allem am meisten. Den Weg zurück in den Wintergarten hab ich auf der anderen Seite gewählt (die Seite, die in den „Himmel schaut“) und hab auf dem Weg noch einen Ingwertee vom Buffet geholt. Ja, sehr abenteuerlich, aber echt. Auch wieder in Schieflage, hab ich meinen Tee und mich wohlbehalten im Wintergarten wieder auf meinen Platz am Laptop gebracht. Da kam schon die nächste auf-ab-rechts-links-Kombination und ich hab nur meinen Tee festgehalten, dass die Tasse nicht fliegt. So ein Gefühl hab ich eigentlich nur mit der Costa Classica 2006 zwischen Edinburgh und Dänischer Küste erlebt.

Ray (Cruisedirector) informierte nach dem Mittagessen, dass die Theatervorstellung für heute Nachmittag abgesagt wird, weil die Dünung zu stark ist. Nach ein paar Minuten gibt’s die Info, dass der Dom im Illuminations so fixiert werden konnte, dass wenigstens der Film um 13:30 gezeigt werden kann. Die Leute sollen aber bitte äusserst vorsichtig laufen und sich immer fest halten, wenn sie sich durch’s Schiff bewegen. Ansonsten bitte in den öffentlichen Räumen mittschiffs aufhalten oder in der Kabine. Ach ja, sinnvoll wäre es noch, sämtliche Sachen, die in der Kabine irgendwie oben stehen, nach unten zu verlagern, weil die nämlich durch die Gegend fliegen könnten. Sehr beruhigende Nachricht.

Um 14:00 hol ich mir auch was zu essen, nachdem Thomas schon erfolgreich sein Tablett mit Mittagessen und Getränken in den Wintergarten balanciert hatte. Ich hab da grad eine etwas „flachere Phase“ erwischt. Vorher aber noch mit Anlauf aufs Klo... Nicht, weil ich’s so dringend hatte, aber das Schiff hat sich grad wieder auf die passende Seite „gelegt“... Als ich mit meinem Teller mit Essen, Besteck & neuem Ingwertee (ohne Tablett, ich will Kontrolle über mein Zeugs haben, ohne dass es auf einem Tablett rumrutscht) wieder am Platz war, hat sich Thomas auf den Weg gemacht, erst mal in die Kabine, noch was holen und dann nach vorne in die Bibliothek zu gehen, oder auch ins „Zwischendeck“ beim Illuminations (seitlich rechts und links vom Theater), wo’s die Puzzel- & Kartenspiel-Tische an den Bullaugen hat. Mal sehen, ob’s da eine Möglichkeit gibt, zu filmen, denn die Wellen müssten da ordentlich an den Fenstern vorbei rauschen. Ich hab mich um mein Essen gekümmert und Thomas sich um einen sicheren Weg zu seinem angepeilten Ziel. Hoffe, er kriegt das ohne grössere Blessuren hin. Es gibt zwischendurch schon ordentliche Schaukelei und zwar in alle Richtungen.
Jetzt kommen die Boys und fangen an, die restlichen Wasserflecken mit Pool-Tüchern aufzusaugen. Und jetzt kann ich wenigstens noch Bescheid geben, dass aus dem Brunnen neben uns im Wintergarten vorher zwei ordentliche Wellen Wasser raus auf den Teppich geschwappt sind. Als Thomas es sagen wollte, wo’s passiert ist, waren die so dermassen mit dem Wasser draussen halten von der Promenade beschäftigt, dass die Meldung nicht ankam. Das andere war wichtiger, weil nicht eine limitierte Menge, wie beim Wasserspiel hier. Das Becken hat nur ein gewisses Mass an Wasser und das war zwar auch viel, aber überschaubar. Der Boy hat sich mit einem Kollegen drum gekümmert und sich nachher mehrfach bedankt, dass ich’s gesagt hab. Aber ich meinte dann, „Ihr ward so dermassen mit dem Waser von der Türe her beschäftigt, da kam die Meldung nicht an.“ Wenigstens wird jetzt auch der Teppich hoffentlich bald wieder trocken.

Der eine Boy meinte dann nur, dass alles „portside“ undicht war und Wasser rein gedrückt hatte (wohl die aktuelle Wind/Wetterseite). Die armen Leute, die ihre Balkonkabinen auf der Seite haben. Wir überlegten vorher schon, wie’s bei denen wohl jetzt in den Kabinen aussieht? Hoffentlich haben die keine Schäden. Wär echt schade.

Das Schiff hat einiges zu schaffen. Der Bug kracht öfters mal in ein paar Brecher rein, dann vibriert alles. Beeindruckend, was das Material alles aushalten muss. Erst die Dauerhafte Vibration der Motoren und dann sowas hier, wo der gesamte Rumpf der Länge nach „gedreht“ wird.

Ich bleib brav auf meinem Platz hier sitzen und schreib weiter an unseren Tagen in Quebec. Vor allen Dingen halte ich mich an den Ingwertee und die Atemtechnik, die ich in der Coop-Zeitung (oder war’s Migros? Ich weiss es immer noch nicht) gelesen hatte. So geht das noch ganz gut. Schliesslich ist’s nicht mehr lang bis „spätnachmittag“ und dann sollte ja gemäss Vorhersage das Ganze etwas milder werden. Schauen wir mal, ne?

Ach ja, der Kapitän hat ausserdem informiert, dass wegen der Dünung einige Aufzüge gestoppt werden mussten, sodass einiges an Kapazitätseinbusse da sei. Also, wer irgendwo hin pünktlich kommen will, der solle doch bitte genügend Zeit einplanen (wir haben wirklich viele Leute mit Gehbehinderung an Bord, wo das mit der Treppensteigerei nicht so die Lösung ist). Ja, klare Ansage.

Der Kapitän (bzw. das Wetter oder auch der Wetterbericht) hat Wort gehalten. Es ist 15:30 und fast nix mehr zu spüren. Na ja, ab und zu ein „huiii“ nach oben und unten oder rechts und links, aber kein Vergleich mehr zu vorher. Ausserdem sehen die Wellen draussen viel imposanter aus, als das, was wir jetzt drin spüren. Dass der Wind umgeschlagen hat, ist einiges Wert und wirklich deutlich spürbar.

Thomas hat klasse Filmsequenzen vom Bug des Schiffes mitgebracht – er hat aus dem Spa, den Seitenfenster des Theater-Ganges und Commodore-Club raus gefilmt. Lecker...

Ich mach noch eine „Kurzübersicht“ für die Zuhausegebliebenen per e-mail parat und dann geht’s aber nichts wie ab in die Kabine, ich muss mich mit Thomas zusammen für den Ascot-Abend richten !

Tja, als ich dann gegen 19:30 in die Kabine kam – Thomas war vorher schon runter, um sich etwas hinzulegen – und wollte mich so langsam in Richtung Kleider aus dem Schrank sammeln machen, ging dann plötzlich gegen 20:00 der Alarm los. „Hä?“ Draussen auf dem Gang hörten wir „here is the bridge, here is the bridge, staff emergency, staff emergency, families with children move to Zone C!” und dann das einmalige Pfeiffen der Sirene (aber nicht wie bei der Seenotrettungs-Übung 7x kurz und 1x lang). Und was mir irgendwie an der Ansage fehlte, war das 3x „for exercise“ für die Crew... Das hatten wir auf Seetagen eigentlich täglich gehört, aber nicht während dem Hauptgang im Britannia (1. Sitzung)... Hmm. Na ja, jedenfalls, hab ich (halbnackt – wollt mich ja eigentlich umziehen) aus der Kabinentüre gelinst und den nächstbesten mit Cunard-Namensschild an der Brust, der an unsrer Kabine vorbei rauschen wollte, gefragt, was wir machen sollen. Der meinte nur „please stay in your cabin, more announcements will be given”. Na ja, ich hab halt wieder die “Alltagsklamotten” angezogen, die Handtasche mit Geldbeutel, Pässen und Mobiltelefon gepackt (so als kleinste Notration, falls nötig) und mich zu Thomas, der mittlerweile hellwach war, aufs Bett gesetzt und gewartet. Innerhalb 5-10 Minuten kamen noch 2-3 Ansagen von der Brücke, vom Kapitän selbst und auch von Ray (Cruisedirector). Wir sollten weiter in den Kabinen bleiben, und zudem wäre „a small fire incident in the exhaust of one of the gas turbines“ gewesen, das aber mittlerweile voll unter Kontrolle sei. Die nächste Ansage, ein paar Minuten später, war„all crew stand back except the fire troup“, also durfte wohl auch der Koch, der auch mitsamt seinem hohen Hut durch den Gang gefegt war, wieder zurück an den Herd. War nicht ganz ohne. Schlussendlich kamen noch zwei Ansagen, eine vom Kapitän und eine von Ray, dass wir wirklich wieder in Ruhe zurück zu unserem Essen dürfen und dass sie garantieren, dass alles unter voller Kontrolle sei und sie uns allen einen wunderschönen, unterhaltsamen Abend wünschen. Na ja, also haben wir uns (mit einem Hauch von Titanik-Gefühl – dort haben die Fiedler auch bis zum bitteren Ende Geigen-Weisen gespielt) dann doch umgezogen und sind zum Abendessen ins Britannia, wo natürlich auch aufgrund des Ganzen mit dem Brand alles durcheinander gekommen war. Die Kellner waren noch am Tische richten und somit hatten auch wir noch einen Eintrag mehr des sehr ereignisreichen Tages für’s Tagebuch.
Die Organisation hat super funktioniert, der immerwährende Drill der Crew ist hier sehr sinnvoll zum Einsatz gekommen und die ganze Sache hatte alles nur um wirklich 15 min. verzögert. Das ist beeindruckend !

Während unseres Abendessens hat auch der Kapitän nochmal über die Gesamtsprechanlage sich für den tollen Einsatz der Feuerwehrleute, für die Geduld der Gäste und die super gute Zusammenarbeit der gesamten Crew bedankt.
Als dann zur Nachtischzeit die Kochparade wieder unter Marschmusik aufmarschierte (schliesslich ist ja Abschieds-Gala-Abend für die Gäste des zweiten Teils der Reise),
hat später auch Ray beim Lob der ganzen Kellner und Hilfskellner hervorgehoben, dass sie das heute wirklich klasse gemacht hätten. Es ist selten, dass während Windstärke 11 (110-119 km/h Windgeschwindigkeit) die gesamte Kellnerschaft zusammensteht und die Gäste im Restaurant noch weiterhin bedienen kann. Ja, da konnten wir nur zustimmen. Wir haben es auf Deck 7 im Wintergarten und im Kings Court miterlebt, das war für die bedienenden Mitarbeiter sicher doppelt schwer. Das war wirklich einen grossen Applaus wert.

Ach ja, und Ray (Cruise Director) hob hervor, dass man durchschnittlich pro Tag ein Pfund zunehmen würde und schuld sei der Chef von der Patisserie (aus den Philippinen). Ach nee, ne? Wenn wir das hochrechnen würden, au weia, da würden wir in kein Kleidungsstück mehr passen. Das lassen wir lieber... Wir sind froh, aus dem Stadium hinaus zu sein, dass wir für das Geld was wir bezahlt haben, auch unbedingt alle Menüpunkte einverleiben müssen, die auf der Karte stehen, obwohl die Kellner das problemlos machen würden. Aber das ist dann doch zu viel des Guten. Schliesslich gibt’s auf dem Schiff wirklich 24 Stunden lang Zugang zum Essen... und das muss nicht zwingend der (gratis) Zimmerservice sein !
Nachdem wir unseren leckeren Nachtisch mitsamt Petit-Fours (also die gehören sogar für uns noch dazu) zum Kaffee auch noch vertilgt hatten, sind wir zum Purser’s Desk für noch mehr „You have been a Star“-Nomination-Karten, denn es ist wirklich äusserst schwierig, eine Person nur zu bezeichnen, denn sie sind irgendwie alle auf eine Art sehr beeindruckend und gut in ihrem Service. Aber irgendwie mussten wir „den Berg hoch“ laufen, um zur Rezeption zu kommen. Das Schiff lag schon wieder schief. Aber wie. Hmmm. Blöd, hab ich kein Foto gemacht, das war echt heftig. Die Leute liefen alle nicht ganz grade durch die Gegend. Die Fussknöchel/Beine hatten einen Winkel zum Fuss, der so normal nicht zum Laufen taugt. Auch waren überall dezent die weissen Tütchen ausgelegt. Ob auf den Toiletten oder wie hier an der Rezeption. Schön griffbereit.
Wir sind dann bald zurück zur Kabine und haben wieder festgestellt, dass es bei uns hinten doch einiges mehr schaukelt und rumpelt und quietscht und knirscht, als mittschiffs. Tja, und das Schiff ist immer noch „schief“. Wir liegen im Bett und haben irgendwie das Gefühl, dass wir aufpassen müssen, nicht aus den Fussenden raus zu rutschen, da unsere Betten quer zum Gang stehen. Jetzt wissen wir auch, warum die Bettdecken immer unter die Matratzen eingesteckt werden... So fallen die Gäste bei starkem Seegang nicht aus den Betten.
Das war mein letzter Gedanke und ich habe mich in einen tiefen, traumlosen Schlaf „verschaukeln“ lassen.

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